“人们不会偶然无家可归。”

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Herr Weishaupt, Deutschland hat ein vergleichsweise engmaschiges Sozialsystem. Bürgergeld, Sozialhilfe, Unterstützung durch Jobcenter – das sollte verhindern, dass jemand auf der Straße leben muss. Warum passiert es trotzdem?

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Das ist zum einen strukturell bedingt. In Deutschland wohnen ungefähr die Hälfte aller Menschen zur Miete. Das ist neben der Schweiz der höchste Anteil in Europa. Und wenn jetzt die Mieten steigen, und das tun sie vor allem in Großstädten und Ballungsräumen seit zehn Jahren schneller als die Durchschnittslöhne, verteuert sich das Wohnen – und es wird für einige Menschen unbezahlbar. Dazu kommt, dass die Bevölkerung migrationsbedingt wächst, und das auf eine sinkende Zahl an Sozialwohnungen und einen immer teurer werdenden Neubau trifft. Das zu lösen, ist eine riesige Herausausforderung.

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Leben denn heute mehr Menschen auf der Straße als früher?

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Es gibt erst seit zwei Jahren die Bundesstatistik zu untergebrachten wohnungslosen Menschen – aber ja, das scheint so zu sein. Zuvor gab es die Schätzungen von der BAG W, der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Aber wir sehen einen Anstieg ungefähr seit 2010. Da ist Deutschland auch nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel. Es gibt in Europa nur zwei Länder, die es geschafft haben, diesen Trend umzukehren: Finnland und Dänemark.

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Timo Weishaupt 是哥廷根乔治奥古斯特大学政治社会学和社会政策教授。私人的

Was machen die anders?

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Nehmen wir Finnland, oft das Paradebeispiel. Dort wirken zwei Dinge: Das eine ist der Ansatz „Housing First“. Das heißt, wohnungslose Menschen bekommen bedingungslos eine Wohnung mit einem regulären Mietverhältnis, dazu können sie autonom Hilfsangebote wählen, die sie unterstützen, diese Wohnung auch zu halten. Dafür hat Finnland seit Jahrzehnten sehr viel Geld in den Bau von Sozialwohnungen investiert. Das andere, und das wird in den Diskussionen oft vernachlässigt: Es gibt dort sehr großzügige Wohngeldzahlungen. In Deutschland ist das im Grunde ein kleiner Zuschuss, der oft nicht reicht, um die Miete zu bezahlen.

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Ist Obdachlosenhilfe also vor allem eine Frage des Geldes?

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Ich denke schon. Unser Sozialstaat unterbreitet natürlich viele Angebote, Kommunen sind ordnungsrechtlich sogar verpflichtet, Menschen, die unfreiwillig wohnungslos sind, unterzubringen. Aber was passiert dann? Wenn sie Menschen in einer Unterkunft in Mehrbettzimmern unterbringen, gibt es dort zwar einen Sicherheitsdienst, aber keinen Sozialarbeiter. Den Betroffenen ist insoweit geholfen, dass sie im Winter nicht frieren müssen, aber das gewährleistet noch keine nachhaltige Hilfe. Das heißt, wir müssten mehr Geld investieren, in Wohnraum, aber auch in die medizinische und sozialpädagogische Versorgung, für Traumatherapien zum Beispiel.

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Das setzt voraus, dass jemand schon in den Hilfesystemen angekommen ist. Es ist aber bekannt, dass teilweise Jahre vergehen, bevor Betroffene überhaupt von solchen Angeboten in ihrer Stadt erfahren.

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Ja, das stimmt. Menschen werden ja nicht zufällig wohnungslos. Oftmals gibt es eine lange Biografie von traumatisierenden Erlebnissen, Bindungsstörungen, Suchterkrankungen. Die Wohnung zu verlieren ist meist die letzte große Krise nach einer Vielzahl anderer Krisen. Wer dann erst mal auf der Straße ist, dem fällt es schwer, diese Hürden, auch die bürokratischen, zu nehmen. Zum Amt zu gehen, Dokumente vorzulegen oder die Angst zu überwinden, überhaupt mit einem Facharbeiter zu sprechen. Das ist ein langer, harter Weg, auf dem viele scheitern.

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Wie viele Menschen sind in Deutschland von Obdach- oder Wohnungslosigkeit betroffen?

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Von Obdachlosigkeit sprechen wir eigentlich nur bei Personen, die dauerhaft auf der Straße leben, und nur gelegentlich in einer ordnungsrechtlichen Notunterkunft schlafen. Diese Menschen sehen wir im Stadtbild, aber sie sind nur die Spitze des Eisbergs. Sie machen etwa zehn Prozent der Wohnungslosen aus. Also all derjenigen, die über kein mietvertraglich gesichertes Wohnverhältnis oder eigenes Wohneigentum verfügen und nicht ohne Hilfe aus dieser Notlage herauskommen. Die Bundesstatistik zählt nun alle, die von einer Kommune oder durch eine Einrichtung untergebracht worden sind. Das sind zuletzt etwa 370.000 gewesen. Dazu kommen aber noch die versteckt Wohnungslosen.

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Was bedeutet das?

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Das sind Menschen, die beispielsweise beim Kumpel oder der Freundin auf dem Sofa schlafen oder vielleicht in einem Auto, einem Abbruchhaus oder auf einem Campingplatz übernachten. Zählt man sie dazu, kommt man wahrscheinlich auf knapp eine halbe Million Menschen. Gerade Frauen geben sich oft größte Mühe, nicht im Straßenbild als wohnungslos wahrgenommen zu werden. Sie versuchen, ihre Lage, so gut wie es geht, zu verbergen, weil sie sonst mit sexueller, psychischer und physischer Gewalt rechnen müssen.

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Was lässt sich präventiv tun, damit jemand seine Bleibe gar nicht erst verliert?

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Im Großteil der Fälle spielen vor allem Mietschulden, auch Energieschulden, eine Rolle. Prävention ist also ganz wichtig. In der Praxis hat sich das nordrhein-westfälische Konzept zentraler Fachstellen bewiesen, nur gibt es das bisher nicht flächendeckend. Dort laufen für den Sozialdienst einer Kommune zum Beispiel alle Räumungstitel der Amtsgerichte ein. Wenn eine Räumung droht, sind dann nicht noch lange behördliche Verfahren nötig, um zu ermitteln, ob oder welche Sozialleistungen eine Person von welchem Fachbereich bezieht, der dann in der Lage wäre, die Mietschulden als Darlehen übernehmen zu können. In diesen Situationen ist jeder Tag kostbar, man muss schnell reagieren. Gleichzeitig sind die Fachstellen auch für Vermieter gedacht, die zum Beispiel schwierige Mieter haben und sich beraten lassen wollen. Im Idealfall lassen sich Konflikte klären, sodass gar keine Räumung ausgesprochen werden muss.

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#人们不会偶然无家可归
2024-04-24 09:00:55

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